Die Quadratur des Kreises

Arbeit im Rahmen der Ausstellung „Wurzelspitzen“ in der Gärtnerei Deml in Seeshaupt

Die meisten wissen, dass es Jahrhunderte lang ein populäres Problem in der Geometrie war, einen Kreis mithilfe von Lineal und Zirkel in ein Quadrat zu überführen – und umgekehrt. (Erst später wurde bewiesen, dass es tatsächlich unmöglich ist, die eine Grundform in die andere zu transformieren.) Allerdings mussten sich so viele Mathematiker bis dahin mit dem Misslingen abfinden, dass die Quadratur des Kreises zum Synonym für ein unmögliches Vorhaben geworden ist.

Die eigentliche Überraschung bei der Arbeit war für mich, dass ich mich sowohl im Vorfeld als auch zwischendrin mit Michael beraten konnte und immer wieder feststellte, dass wir einen so ähnlichen plastischen Ansatz vertreten, als wäre der eine in der Lage, die Sätze des anderen zu Ende zu sprechen.

Die Arbeit wechselte mehrfach die Gestalt. Vor allem mit dem Bild für das, was mit dem ehemaligen Pflanzkasten final geschehen sollte, gelangte ich ständig zu neuen Schritten. Sie bestanden letztlich immer darin, dass ich einen weiteren Faktor wegstrich, bis ich am Ende zur einfachst möglichen Art kam, mit dem Material umzugehen.

Jeder dieser Schritte fiel mir ein, während ich auf die Schaufel gelehnt in der Grube stand und darüber nachdachte, was ich da tat und wie ich es noch weiter auf die ursprüngliche Wurzel zurückführen konnte. Schließlich entfernte ich sogar die persönliche Handschrift. Im Grunde hatte ich während der vergangenen Jahre selten so gearbeitet, sondern mir zunächst im Denken eine grundsätzliche Vorgehensweise zurechtgelegt und sie dort so lange überarbeitet, bis etwas wie ein stimmiger Rahmen stand. Dann konnte ich mich ganz auf die Ausführung konzentrieren. Die spielerische Arbeit hier könnte man, ginge es um Sprache, als „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ bezeichnen. So hat Kleist es um das Jahr 1805 in einem Aufsatz genannt.

Ausdrücklich danken möchte ich den beiden, die mir beim Arbeiten geholfen haben: Adrian, Michaels Sohn, der über Stunden hinweg mit unglaublicher Konzentration einen kleinen Bagger bediente und Thomas, ein Helfer, der den Aushub in Schubkarren vom Becken zum Berg hinüber karrte, was eine Wahnsinnsplackerei war.

Später wurde ich von einer Bildhauerin einer jüngeren Generation gefragt, welche der beiden Grundformen ich bevorzuge. Denn für sie sei der Berg attraktiver. Für mich kann ich nur so sprechen: Das Eine und das Andere gehören auf eine Weise zusammen, dass das Eine ohne das Andere nicht möglich wäre. Sie sind Elemente einer Skulptur, die aus zwei Teilen bestehen muss, denn nur dadurch wird der skulpturale Vorgang begreiflich.

© Michael von Brentano

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