2017

Winterarbeit Honigeditionen

Galerie Werkschau, München

Im Mai 2017 eröffnete in der Galerie Werkschau eine Ausstellung, in der alle Künstler vertreten waren, die bisher dort etwas gezeigt hatten. Es gab das zehnjährige Bestehen der Galerie zu feiern. Es sollte ein Galeriefest werden. Aber da es regnete, kamen wenige Besucher. Dagegen war in der Küche ein üppiges Büffet aufgebaut. Doch während Inge, die Galeristin, noch ihre Einführungsrede hielt, drängten viele in die Küche und fraßen das Büffet kahl. Als ich später dorthin kam, ragten zwei Stangen Baguette aus einem Topf, auf einem großen Teller lagen drei Oliven und ein wenig Joghurt mit Knoblauch dümpelte in einer enormen Schale.

Ich zeigte dort eine Reihe von Honigeditionen.

Mit Honigetiketten herumzuspielen ist eine der typischen Winterarbeiten. Man hat den Honig verarbeitet und in die Gläser gebracht und es geht um das Ausliefern. In diesem Fall drehte es sich um ein Sonderkontingent von zwei Schachteln kleiner Gläser, 250 Gramm, die ich eigens abgefüllt hatte. Mir lag im Sinn, für die Ausstellung eine Edition mit den entsprechenden Etiketten zu entwerfen. Einen verhaltenen Schritt, in dem ein wunderschönes Gedicht von Heine zum Einsatz gekommen war, hatte ich bereits im Februar des Jahres 2016 getan.

Ich befüllte eine Reihe von Gläsern zu 250 Gramm, was die Hälfte der ursprünglichen Menge ist. Bezüglich der kleineren Etiketten wählte ich aus mehreren Einfällen, insgesamt drei Themen, und fertigte jeweils eine Serie von acht Stück.

Das eine Drittel der Editionen besteht aus hellbraunen Packpapierstreifen mit Blumenbriefmarken und den jeweiligen Stempeln, fremden gemischt mit eigenen. Die Post gab, wie gesagt, die Blüten zwölf Jahre lang heraus (siehe: Postalisches Feld) und schob im Jahr 2010 quadratische Marken mit Italienerbienen dazwischen. Die sitzen mitten im honiggelben Blütenstaub. Die Bienen waren für emsige postalische Flüge kreuz und quer durch Deutschland ausgelegt. Der Brief kostete im Jahr 2010 noch immer 55 Cent. Einige der anonymen Schreiber in entsprechenden Foren beschwerten sich, dass für eine deutsche Briefmarke eine Italienierin posierte.

Anschließend ließ sich die Post dazu hinreißen, die nüchternen, aber umso romantischeren Blüten aufzulegen. Eines Tages, als ich auf dem Land festsaß und schier endlos auf einen Zug warten musste und sich ein Postamt neben dem Bahnsteig befand, stapfte ich hinein und sagte, ich wolle von jeder Blütensorte mindestens eine Marke kaufen. Zuhause stellte ich fest, dass der Beamte einige Werte weggelassen hatte. Vielleicht waren sie dort nicht vorrätig gewesen.

Eine dritte Quelle und somit die dritte Edition bildet ein Thema, das mich vor allem im Jahr 2016 beschäftigte. Es sind kleine, Filmchen auf youtube, die sich um die gärtnerischen Attitüden beziehungsweise Streiche des Rosaroten Panthers drehen. Ich schaute sie gemeinsam mit meiner Tochter an.

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sculpture sonore

Vorrichtung zum Erzeugen einer Klangskluptur durch Bienensummen.

Cage stellte eines Tages Teeny Duchamp die Frage, ob es wohl sehr aufdringlich sei, ihren Mann zu bitten, ihm das Schachspielen beizubringen. Teeny antwortete lapidar: „Frag ihn.“ Cage fand sich von da an wöchentlich ein und spielte gegen den Meister. Man muss dazu vielleicht wissen, dass Duchamp auf professionellem Niveau spielte. Cage berichtet im Jahr 1992 in seinem letzten Interview, dass er kein einziges Mal gewonnen habe, allerdings nicht, weil es keine Möglichkeit gegeben hätte, sondern weil seine Absicht nicht im Gewinnen lag. Er suchte einfach Duchamps Gesellschaft. Er berichtet außerdem, dass Duchamp darüber erzürnt war. Ich vermute, dass Duchamp ein paar Mal absichtlich eine Öffnung ließ, Cage aber widerstand und nicht in die Lücke vorpreschte. Offenbar unterhielten die beiden sich außerhalb der ausgiebigen Schweigeperioden, die beim Schachspiel üblich sind, über Kunst. Duchamp wurde häufig präsentiert und organisierte Ausstellungen. Er hatte mithilfe des Zufalls komponiert, das war im Jahr 1912 gewesen, dem Geburtsjahr von Cage. Er setzte den Zufall als generierendes Prinzip ein, arbeitete jedoch nicht mit Halmen oder Münzen, also dem I Ging, sondern erfand auf subtile Weise eigene Möglichkeiten. Während Cage die I Ging-Nische besetzte, suchte Duchamp Gegenstände, denen gegenüber er völlig gleichgültig war. In Interviews mit Duchamp steht zu lesen, dass er die Wertschätzung von Cage erwiderte, er erwähnt besonders dessen Humor und die Leichtigkeit, dem Leben und der Kunst zu begegnen.

Erfahrungen wie diese veranlassten mich dazu, Geräuschen zu lauschen, und insbesondere solchen, die man nicht als musikalisch betrachtete. Der letzte dieser Versuche wurde ernsthaft für mich durch Marcel Duchamps Anmerkung über die sculpture sonore verändert, Klänge, die von verschiedenen Orten kommen und bleiben, erzeugen eine Skulptur, die andauert. Das eröffnete den Genuss an jener Art von Geräusch, im Gegensatz zu dem des Straßenverkehrs, da wir diese Art von Geräusch meistens ignorieren. Ich denke, die Tatsache, dass es bleibt, vermindert seine Wichtigkeit. Wohingegen Marcel anmerkt, dass es seine Wichtigkeit erhöht. Er teilt uns mit, dass wir mindestens drei dieser Klangquellen haben müssen und jede von ihnen verschieden, damit wir eine Skulptur bekommen, eine Klangskulptur. Was wahr ist. Wenn man zwei Geräusche hat, hat man nur eine gerade Linie zwischen ihnen; hat man aber drei, bekommt man unausweichlich eine Skulptur, in der man herumgehen kann.

(eigene Übersetzung)

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Edition Karbit

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Mitte Dezember des Jahres 2017 fand die Edition Karbit in der Galerie Heufelder statt und ich war eingeladen. Das Verbindende zwischen den Künstlern war kein Thema, sondern das Format. Man sollte jeweils drei gleiche Blätter im Maß 22 Zentimeter mal 33 Zentimeter bearbeiten und vorlegen, hochkant oder quer. Eines davon wurde gerahmt und aufgehängt. Das Verhältnis empfand ich als unglücklich, unter anderem, da es so nahe am DIN-A4 liegt. Mich erstaunte, wie stark meine Arbeit zunächst beeinträchtigt wird, wenn das Format vorgeschrieben ist.

Fibonaccis frühe Schriften, die nicht erhalten sind, werden von anderen zitiert. Er versuchte, seine berühmt gewordene Folge anhand der Paarung von Kaninchen zu veranschaulichen. Allerdings sind nicht biologische Kaninchen gemeint, was für Verwirrung sorgte und dazu führte, dass man ihn (aus den falschen Gründen) widerlegte. Jedoch gibt es ein genetisches Vermehrungsbeispiel bei den Bienen, das unbestreitbar ist. Es konnte damals niemandem einfallen, da derartige Kenntnisse über Bienen noch nicht bestanden. Im Stammbaum der Drohnen liegt die Fibonacci-Folge vor. In dem der Arbeiterinnen kommt sie ebenfalls vor.

Drohnen sind für die Befruchtung einer jungen Königin aus einem anderen Volk zuständig. Dazu krabbeln sie aus dem Stock, schwingen sich hoch in die Luft und finden ohne vorherige örtliche Kenntnisse die Sammelplätze. Dort erreichen aber nur jene, die der Königin am weitesten hinauf folgen können, ihr Ziel. Das ist die Begattung und bedeutet zugleich ihren Tod, da ihr Begattungsapparat dabei herausgerissen wird. Drohnen lungern ab April untätig im Stock herum und werden zur Sonnwende hinausgedrängt oder abgestochen. Man nennt es die Drohnenschlacht, was dramatisch klingt. Unsentimental betrachtet, ist es ein Entschlackungsvorgang. Das Volk bereitet sich bereits auf den Winter vor. Drohnen haben keinen Stachel; wenn sie erdolcht werden, können sie den Bienen keine Gegenverletzungen beibringen. Sie sammeln keinen Nektar und können sich nicht selbst ernähren, damit die Bienen sie verhungern lassen können. Sie verrichten keine Dienste im Stock, um entbehrlich zu sein.

Da die Drohnen nur zwischenzeitlich hervorgebracht werden, kommen sie mir vor, wie eine vorübergehend männliche Ausstülpung des Bienenkörpers. Ich sehe sie als einen kurzfristig männlichen Anteil eines weiblichen Systems.

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in bocca al lupo

Vortrag in der Cafeteria der Akademie der Bildenden Künste, München. Ende Dezember 2017

Gegen Ende Juli wurde ich von Katharina Deml angerufen und gefragt, ob ich bereit sei, ungefähr im Dezember einen Vortrag in der Reihe Tischgespräche zu halten mit dem Thema, wie es früher an der Akademie gewesen ist, von der Baracke, dem Garten, der Bienenhaltung, dem Honig und der Herstellung wertvoller Nahrung. Mein Beitrag sollte, wie wir entschieden, auf einen der Gartenarchitektin, die den grünen Raum im Akademiegelände umgestaltet hat, abgestimmt sein. Die Dame ist jedoch nicht mehr eingeladen oder sie hat abgesagt.

in bocca al lupo. Das heißt, wenn man es wörtlich übersetzt: im Maul des Wolfes. Man müsste sich also fürchten. Ein italienischer Bildhauer, der nicht Deutsch spricht, sagt mir das zu Einladungen, die ich ihm schicke. Er meint damit in etwa: Hals- und Beinbruch. Es ist, wie mir eine Italienerin erklärte, entgegen der Logik die Bezeichnung für den sichersten Ort der Welt. Denn wo könnte man sich besser beschützt fühlen als dort?

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