Monat: März 2021

Die Quadratur des Kreises

Arbeit im Rahmen der Ausstellung „Wurzelspitzen“ in der Gärtnerei Deml in Seeshaupt

Die meisten wissen, dass es Jahrhunderte lang ein populäres Problem in der Geometrie war, einen Kreis mithilfe von Lineal und Zirkel in ein Quadrat zu überführen – und umgekehrt. (Erst später wurde bewiesen, dass es tatsächlich unmöglich ist, die eine Grundform in die andere zu transformieren.) Allerdings mussten sich so viele Mathematiker bis dahin mit dem Misslingen abfinden, dass die Quadratur des Kreises zum Synonym für ein unmögliches Vorhaben geworden ist.

Die eigentliche Überraschung bei der Arbeit war für mich, dass ich mich sowohl im Vorfeld als auch zwischendrin mit Michael beraten konnte und immer wieder feststellte, dass wir einen so ähnlichen plastischen Ansatz vertreten, als wäre der eine in der Lage, die Sätze des anderen zu Ende zu sprechen.

Die Arbeit wechselte mehrfach die Gestalt. Vor allem mit dem Bild für das, was mit dem ehemaligen Pflanzkasten final geschehen sollte, gelangte ich ständig zu neuen Schritten. Sie bestanden letztlich immer darin, dass ich einen weiteren Faktor wegstrich, bis ich am Ende zur einfachst möglichen Art kam, mit dem Material umzugehen.

Jeder dieser Schritte fiel mir ein, während ich auf die Schaufel gelehnt in der Grube stand und darüber nachdachte, was ich da tat und wie ich es noch weiter auf die ursprüngliche Wurzel zurückführen konnte. Schließlich entfernte ich sogar die persönliche Handschrift. Im Grunde hatte ich während der vergangenen Jahre selten so gearbeitet, sondern mir zunächst im Denken eine grundsätzliche Vorgehensweise zurechtgelegt und sie dort so lange überarbeitet, bis etwas wie ein stimmiger Rahmen stand. Dann konnte ich mich ganz auf die Ausführung konzentrieren. Die spielerische Arbeit hier könnte man, ginge es um Sprache, als „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ bezeichnen. So hat Kleist es um das Jahr 1805 in einem Aufsatz genannt.

Ausdrücklich danken möchte ich den beiden, die mir beim Arbeiten geholfen haben: Adrian, Michaels Sohn, der über Stunden hinweg mit unglaublicher Konzentration einen kleinen Bagger bediente und Thomas, ein Helfer, der den Aushub in Schubkarren vom Becken zum Berg hinüber karrte, was eine Wahnsinnsplackerei war.

Später wurde ich von einer Bildhauerin einer jüngeren Generation gefragt, welche der beiden Grundformen ich bevorzuge. Denn für sie sei der Berg attraktiver. Für mich kann ich nur so sprechen: Das Eine und das Andere gehören auf eine Weise zusammen, dass das Eine ohne das Andere nicht möglich wäre. Sie sind Elemente einer Skulptur, die aus zwei Teilen bestehen muss, denn nur dadurch wird der skulpturale Vorgang begreiflich.

© Michael von Brentano

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Halt auf offener Strecke

Arbeit im Rahmen der Ausstellung „Wurzelspitzen“ in der Gärtnerei Deml, Seeshaupt

Das Bienenwachs bringen die Baubienen selbst hervor. Es wird von Drüsen, die beidseits an der Unterseite des Hinterleibs sitzen, ausgeschwitzt. Zur genaueren anatomischen Vorstellung: Die Drüsen sitzen an jenen Stellen, an denen die Hinterleibssegmente zusammenstoßen, und das Wachs wird in winzigen Schüppchen ausgeschieden. Daher ist Bienenwachs, anders als Honig, der aus fermentiertem Nektar besteht, ein reines Bienenprodukt. Das heilkräftige Propolis ist mit Bienenwachs angereichertes Baumharz. Die Bienen nehmen das Wachs mit den Hinterbeinen auf und reichen es mit ihren Füßen Richtung Kopf. Dort landet es schließlich bei den Kiefermuskeln, wo es zu Kügelchen modelliert wird. Bienen bauen daraus ihre Zellen. Überhaupt beziehen sie von allen Orten, an denen es gerade nicht gebraucht wird, ihr Baumaterial. Sie sind Bildhauer. Ohne Frage. Und die Zellen sind sehr viel komplizierter konstruiert, als einfach nur gerade sechseckige Gefäße. Bei einer Deutsch-Normal-Wabe, die der Form, die ich verwende, ähnlich ist, tragen 40 Gramm Wachs zwei Kilo Honig. Knetet man es eine Weile zwischen den Händen, kann man ebenfalls damit modellieren. Bienenwachs schmilzt etwa bei 60°C, wird jedoch bereits ab 30° C knetbar.

Anfangs enthält es in der Regel mehr oder weniger Schmutzpartikel, Bienenbeine oder die winzigen Häutchen, die die Brut beim Schlüpfen in der Zelle zurücklässt. Gelegentlich erscheint es grau oder grün, manchmal fast braun, dann wieder so, wie man es sich kindhaft vorstellt, nämlich sonnenblumengelb, und weiter bis hin zu weiß. Sammelt man beispielsweise das Wachs, mit dem Bienen die mit Honig gefüllten Zellen verdeckeln, so wird das sehr hell sein. Nach dem Aufschmelzen im Wasserbad sammeln sich beim Abkühlen und Aushärten zahlreiche Schmutzpartikel an der Unterseite eines Wachsblockes. Man kann sie abkratzen und das Wachs wird dadurch bei jedem Durchgang heller.

Jene beidseits mit einem Sechseckmuster geprägten Blätter aus Bienenwachs, aus denen ich als Kind Kerzen für die Großmütter rollen musste, werden den Bienen als Bauvorgabe in den Stock gehängt. Man erreicht dadurch, dass Waben entstehen, die für den Menschen leicht zu handhaben sind. Anders als behauptet, nehmen die Bienen diese Vorgabe ohne Widerwort an. Ich halte es für unsinnig, davon zu sprechen, dass man den Bienen damit etwas antut, ihnen quasi das eigene Bedürfnis überstülpt und insofern nicht „wesensgemäß“ verfährt. Denn das Besondere an den Bienen ist, dass sie sich nicht zwingen lassen. Beispielsweise wird man vergeblich versuchen, zwei Königinnen in einem Volk zu halten. Bienen haben ein System, das sich nicht beugen lässt. Anderes lehnen sie aber keineswegs ab. Und insbesondere, wenn es dem Menschen die Pflege und die Behandlung gegen Krankheiten erleichtert, spricht nichts dagegen, dass er die eigenen Vorgaben in die Organisation des Stockes mit einbringt.

Es lag mir eine Weile ungut im Magen, dass ich nicht wusste, wo ich mit dieser Plastik stehe, es im Grunde noch immer nicht weiß, aber über mein Unwissen mittlerweile wenigstens im Bilde bin. Die genaue Verortung auf einer Linie zwischen gelagertem Material und fertiger Plastik ist mir bei dieser Arbeit abhanden gekommen. Vielleicht macht sie das reizvoll. Es hängt mit zahlreichen Parametern zusammen, beispielsweise mit dem Einschmelzen und dem Umschmelzen, dem fertig Ausgeführten, das sich nicht weiter entwickeln lässt, in Verbindung mit einem mutmaßlichen Rohzustand, der von dort aus, in Verlängerung gedacht, in einen weiteren Endzustand münden soll. Mir ging auf, dass selbst ein gegossener Klotz, der eines Tages als Grundlage für Weiteres dienen kann, nichtsdestoweniger eine Plastik ist. Nach meinem Verständnis ist auch ein Barren aus Gusseisen eine Plastik. Und einmal goss ich Blei in eine Kuchenform.

Was ich im Laufe der vergangenen Jahre gesammelt habe, liegt hier zu einer Miete gestapelt. Dieser spezielle Raum, einer Vitrine gleich, mit diesem grauen Boden aus gegossenen Formsteinen, ist mir für ein Jahr zum Zweck der Präsentation überlassen worden. Und eines Tages – hoffentlich – wird sich eine neue Idee der Masse bemächtigen.

Unser Professor an der Akademie, der nie viel sagte, nannte das Umschmelzen Transsubstantiation, was ein Wort aus dem Ulysses von James Joyce ist. Und ich war mir sicher, dass er wusste, dass ich das wusste. Im neunten Kapitel des Buches, das in der irischen Nationalbibliothek spielt, wird behauptet, dass Hamlet der verstorbene Sohn Shakespeares sei. Im Übrigen sei er mit seinem Vater konsubstantiell. Was man als ernsthaftes, hochgelehrtes Geblödel bezeichnen kann. Allerdings ließ es mich nicht deshalb aufhorchen, sondern weil ich den Vorgang des Umschmelzens bis dahin als Transformation aufgefasst hatte. Unser Professor zog schalkhaft die Augenbrauen in die Höhe, als habe er etwas außerordentlich Bedeutendes ausgesprochen. Er schien das Ganze genau so aufzufassen, wie es gemeint war: als groß angelegten Witz von tiefem Ernst, als sähe er die Kunst als durchtriebenes Amüsement von erheblicher Tragweite.

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