Autor: Christoph

Die Kunst der Fuge

Es begann mit dem Wort Maya. Zu dieser Zeit las ich die Bücher von Maya Angelou, der Grand Dame der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die in ihrem Leben derart viel erlebt hatte, dass es sieben Bände brauchte, um ihre Autobiografie zu fassen. Allerdings führte eine andere Spur mich auch zum urzeitlichen Volk der Maya und durch sie zu den ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent heimischen meliponini-Bienen. Die Mayas errichteten beispielsweise Pyramiden, wie wir wissen, und sie hatten eine Sprache und dazu eigene Schrift lange bevor jemand bei uns daran dachte. Sie beteten Götter an, die mit Christus und so weiter nichts zu haben – aus christlicher Sicht waren sie für Missionierung geradezu prädestiniert. Wir wissen, wie mit ihren Nachfahren umgegangen wurde, sie leben teilweise heute noch in Mexiko und Teilen Südamerikas. Ebenso schob man nordamerikanische indigene Ethnien in Reservate ab und setzte sie dort auf wertloses Land. Für die historischen Maya bildet Honig das Zentrum der Welt.

Die Arbeit eines Freundes lenkte meine Aufmerksamkeit auf magnetische Felder. Das Wort Maya löst verschiedene Assoziationsketten aus. Dabei fand ich zu der Einsicht, dass es auf die Kräfte ankommt, die beispielsweise zwischen Planeten wirken oder die Elektronen um Atome kreisen oder Magnetpole einander anziehen beziehungsweise abstoßen lassen, und auf die komplexen Felder, die diese Kräfte formen. Allerdings verfuhr ich erneut subjektiv. Eine innere Logik erschließt sich mir und womöglich ein paar Menschen, die meine Arbeit genauer kennen. Sie verändert sich aber und verschwindet.

Es handelt sich bislang um 12 gestempelte Blätter. Die Größe jedes einzelnen beträgt 21 cm mal 42,7 cm. Der Ton ist stark chamoisfarben. Das Verblassen von Stempeltusche wird von diesem Papier offenbar bevorzugt. Leider bin ich kein Experte. Es könnte daran liegen, dass das Papier stark mit Kreide gestrichen ist und ein größerer Teil bereits anfangs aufgesogen wird. Das gebildete Assoziationsfeld lockert sich, indem es verblasst.

Categories: 2023

Der erste Sommer

aus den Honiggeschichten

Es war ein Mittwoch, an dem Franz mir verkündete: „Am Samstag bekommst du Bienen.“ Ich war keineswegs sicher, ob ich das überhaupt wollte oder schon wollte. Aber er hatte beschlossen, dass es jetzt soweit war. Vielleicht ging ihm auch meine (…) abstrakte Fragerei auf die Nerven. Jedenfalls schlief ich drei Nächte nicht vor Aufregung. Ich war überzeugt, der Sache nicht gewachsen zu sein.

Im Akademiegarten hatte vor geraumer Zeit jemand ebenfalls Bienen gehalten. Es stand dort, (…) versteckt zwischen Büschen nahe der Kunststoffwerkstatt, ein kleiner aufklappbarer Bienenstand. Unsere Klasse war in der Baracke neben dem Hauptgebäude untergebracht, ein u-förmiger, aus Nachkriegsschutt errichteter Bau, der einen verwilderten und von Kunst-Schutt übersäten Garten umschloss. Dorthin stellten mir die Hausmeister auf Veranlassung von Franz den Bienenstand, direkt vor mein Atelier. Er war zwei Meter lang und drei Völker passten gut hinein, zur Not vier. Drei Jahre später, nachdem ich mit den Bienen die Akademie verlassen hatte, wohnte ein Stadtstreicher darin.

Giftblase

Am Abend des 23. Mai kam Franz in die Akademie und wir fuhren zu seinem Bienenhaus (…). Wir luden drei Stöcke in mein Auto und brachten sie in ihr neues Zuhause. Bienentransport ist immer aufregend, ganz gleich, wie lange man Bienen hat. Später, nachdem die Fluglöcher wieder geöffnet waren, standen wir im Dunkeln eine Weile zusammen, unterhielten uns und tranken Bier.

Wahrscheinlich redete ich von nichts anderem in diesem ersten Sommer, erklärte allen, wie aufregend und kompliziert es sei, Bienen zu halten und wie großartig ich mich fühlte, weil ich es endlich geschafft hatte, damit anzufangen. Dabei fürchtete ich mich hauptsächlich vor ihnen, ich fühlte mich wie ein Leichtgewicht, das gegen ein Schwergewicht in den Ring muss, und besonders hatte ich Angst vor den Stichen.

Franz hatte mir seinen alten Schleier gegeben und ich benutzte dicke Arbeitshandschuhe wie ein Maurer. Aber so gut ich mich auch schützte, es gelang den Bienen immer, eine Öffnung zu finden. Ich steckte die Hose in die Schuhe, das Hemd in die Hose, die Gummibänder des Schleiers spannte ich um meine Oberarme und die Eingänge der Handschuhe umwickelte ich mit Tesakrepp. Schon um mich bienenfertig anzuziehen, brauchte ich mindestens eine Viertelstunde. Dann stand ich vor dem offenen Stock und wusste nicht, was zu tun war. Zog mal diese Wabe heraus, mal jene, unentschlossen, ohne etwas zu kapieren. Bis die Bienen wütend wurden. Nach dem Stechen fühlte ich mich meistens wie bekifft. Im Speicher über meinem Atelier hatte ich ein paar alte Matratzen gefunden, dort legte ich mich hin, bis der Rausch vorbei war. Außerdem lief ich tagelang herum, als hätte ich schlimme Schlägereien gehabt, geschwollene Lippen, geschwollene Augen, die Hände doppelt so dick.

Dann kam der Tag, als mindestens zehn Bienen es schafften, alle Schutzmaßnahmen zu unterlaufen. Sie krabbelten in meine Handschuhe und stachen mich gemeinsam in die Handgelenke. Da beschloss ich, den Schutz aufzugeben. Ich zog die Handschuhe aus, durch die ich sowieso kein Gefühl hatte und ständig Bienen unabsichtlich zerquetschte, und nahm den Schleier ab, durch dessen dunkles Drahtvisier sich wenig erkennen ließ. Natürlich wurde ich zunächst mehr gestochen, aber es fing an, mir egal zu werden. Außerdem begann ich bereits, mit meinen Bienen zu sprechen. Viele Imker tun das, stellte ich später fest. Wahrscheinlich sagte ich ihnen zu diesem Zeitpunkt: Stecht mich, so viel ihr wollt, ist mir wurscht, ich mach trotzdem weiter.

Einige Zeit darauf versuchte ich sogar, ein Abkommen mit ihnen zu treffen: Sie dürfen mich stechen, wenn ich etwas falsch mache, aber nicht ins Gesicht. Sie halten sich jedoch nicht immer daran. Bienen riechen die Angst des Menschen und wenn sie nachlässt, sind sie weniger angriffslustig. Außerdem bildet sich beim Menschen nach häufigem Stechen eine Resistenz gegen das Gift. Und je planvoller und zügiger die Eingriffe erfolgen, desto weniger regen die Bienen sich auf. Davon aber war ich im ersten Jahr noch weit entfernt.

Categories: 1992

Glas 1

Diese minimale Skulptur fertigte ich aus Anlass des ersten Honigs, den ich geerntet hatte. Hier sieht man das Etikett mit der Jahreszahl 1992. Bis ins Jahr 2004, als die Ausstellung im Berufsverband Bildender Künstler stattfand, zu der ich eingeladen war, und worauf ich die Honiggeschichten schrieb, hatte ich mir angewöhnt, Gläser aus den einzelnen Jahrgängen aufzuheben. Aus diesem ersten Jahr fand ich nur noch eines, allerdings ohne Etikett, und heute sind sie ganz verschwunden. Die Skulptur wurde im selben Privathaus realisiert wie die erste Ausstellung mit Zeichnungen. Die ausgegipste Nische mit dem Glas blieb zehn Jahre bestehen.

Seit dem ersten Glas gab es eine Honigkasse. Im Haus, wo wir wohnten, gingen nicht nur viele Leute ein und aus. Die Bewohner selbst verbrauchten Honig. Daher war es geboten, dort einen Stand zu unterhalten. Jedes Fenster war in ein inneres und ein .äußeres Element geteilt, was den Wind abhielt, und im Winter legten wir dicke Kissenrollen in die Zwischenräume, um den kalten Luftzug zu bremsen. Der Abstand zwischen den beiden Scheiben betrug ziemlich genau zehn Zentimeter, mitsamt den Rahmen blieben acht Zentimeter, was erlaubte, den Honig im Inneren zu einer Pyramide aufzubauen und die Honigkasse aufs Fensterbrett zu stellen. Diesen Verteiler installierte ich gleich an der ersten Biegung der Treppe, unmittelbar nach der Haustür.

Categories: 1992

Die erste Ausstellung

Die Ausstellung fand Ende des Jahres 1992 statt und hatte noch keinen Titel. Die Einladungskarte war zuerst gestempelt und anschließend kopiert. Diesen Vorgang wiederholte ich nie, weil ich ihn für Unfug halte. Doch stellte ich fest, dass ich mit der Bienenhaltung ein neues Kapitel in meinem Leben aufgeschlagen hatte. Viele, die ernsthaft Bienen halten, kommen nicht mehr los. Bienen sind meine Einflüsterinnen, sie träufeln Honig in mein Ohr.

Beuys sagt: „Das Fehlende selbst sein, und dafür einspringen.“

Im Jahr 1992 wusste ich bereits eine Menge. Doch es war theoretisches Wissen, angelesen, aber noch nicht umgesetzt. Dennoch wollte ich es zeichnerisch dokumentieren. Daher beschloss ich, mich hinzusetzen und nicht mehr aufzustehen, bis ich alles niedergelegt hatte. Das nahm einen Monat in Anspruch. Ich zeichnete alles durch, was mir bekannt war, von einer rudimentären Auffassung der Bienenanatomie bis hin zu den mannigfaltigen Gestalten blühender Pflanzen und dem Aufbau verschiedener Bienenstöcke.

Der Raum befindet sich in einem Privathaus und die Hängung erstreckte sich über ein interessant geschnittenes Zimmer, das eine versetzte Halbetage mit Treppe, hölzernem Geländer und Sitzecke hat. Diese schwierige Gegebenheit wollte ich natürlich einbeziehen und löste sie mithilfe einer umlaufenden Aluminiumschiene. Sie wurde von Winkeln etwa 30 Zentimeter von der Wand entfernt gehalten, überspannte Türen und Fenster und hatte nach unten ein u-förmig geöffnetes Profil. Die zur Ausstellung ausgewählten Zeichnungen waren zwischen zwei jeweils drei Millimeter starken Pendeltürenplatten eingelegt. Diese kennt fast jeder als in Streifen herabhängende, halbtrübe Lappen in den Toren großer Werkshallen. Gabelstapler rauschen durch sie hindurch und hinter ihnen schlappen sie wieder zusammen. Sie bestehen aus einem gelbstichigen, durchsichtigen Kunststoff. Ich verband die beiden Schichten an den Rändern mit klarsichtigem Doppelklebeband, steckte sie von unten in die Alu-Schienen und hinderte sie mit hölzernen Keilen am Herunterrutschen. Die Stücke hingen von einer gleichbleibenden Höhe in wechselnden Größen nach unten. Dasselbe Prinzip, abgewandelt und erneuert, verwendete ich lange bei Papierarbeiten zur Bienenthematik. Es stellt die Lagergewohnheit der Bienen nach, die je nach Nistort alles in Wachs Gebaute von festen Elementen aus, gleich ob es Äste, Bogenlaternen oder Rähmchen sind, hängend modellieren. In diesen Lagern werden auf die denkbar ökonomischste Weise Honig, Pollen und Brut verstaut.

Samenblase der Königin

Categories: 1992

Sonnenabdruck

Diese Skulptur realisierte ich Ende des Sommers 1993 und stellte sie im folgenden Jahr aus. Wenn man das Wachs erhitzt und die Abkühlung unter Luftabschluss beschleunigt, wird der Block in der Mitte stark nach unten gedrückt und es ergibt sich eine mäandernde Oberfläche. Die Seite ist weiterhin glatt. Am Boden entsteht nach jedem Schmelzvorgang eine Schicht Schlacke, die man abkratzt. Darin sammeln sich alle Schmutzpartikel, auch tote Bienen oder ehemals benutzte Zellen oder nur die Chitinhäutchen, mit denen die heranwachsenden Bienen umkleidet sind und aus denen sie schlüpfen. Dadurch wird das Wachs heller und strahlender.

Es ergaben sich drei Arten von Oberflächen.

Categories: 1993

wanzl

Akademie der Bildenden Künste München, Gemeinschaftsausstellung

Über diese Ausstellung, obwohl sie wichtig war und gut dokumentiert ist, weiß ich nicht viel zu sagen. Sie war nach der Firma betitelt, die das von uns verwendete Regalsystem herstellt. Unser Professor hatte sich mit der Geschäftsführung geeinigt und wir beförderten die Einzelteile nach München und bauten sie auf.

Die Firma wanzl liegt an der A8 in Leipheim. Viele der Einkaufswagen aus Edelstahl in Supermärkten oder Baumärkten tragen das Logo am Griff. Ich nahm mir in der Folgezeit vor, darauf zu achten. Es besteht aus dem hellblauen, kursiv gestellten Wort, das wir auf der Einladungskarte verwenden durften.

Bei dem Regalsystem handelt es sich um stehende, runde Edelstahlstangen, in die etwa alle fünf Zentimeter waagrechte Rillen eingelassen sind. Dort rasten schwarze Plastikkegel ein, und anschließend werden vergitterte Fachböden von oben her eingehängt. Ich fand das Ganze nur halbwegs praktisch, da ich mir beim Aufbau ständig die Finger einzwickte. Hatte man sich vertan und die falsche Höhe gewählt, wurde es zu einer Meisterprüfung, sie zu ändern. Die Gitterböden waren am Ende völlig verkeilt und der Abbau zu einer Kalamität geworden.

Die Ausstellung fand wohl Anfang des Jahres 1994 statt, das war das Jahr, in dem ich die Akademie verließ. Wir räumten den großen Klassenraum leer und stellten dort vier lange Regalreihen auf. Die Styroporzargen besaß ich zwar schon, aber ich setzte sie noch nicht im Freistand ein. Sie waren daher auch noch nicht mit brauner Abtönfarbe angestrichen. Sie kamen zunächst wegen ihres Schauwertes in Frage.

Categories: 1994

Beute

Bienenstand im Rosengarten am Schyrenbad, München, seit 1995

Bei der Wahl des Rähmchenmaßes richtet man sich am besten nach demjenigen, der einem das Imkern beibringt. Anfangs macht man dauernd Fehler und die Bienen fliegen einem davon. Der Pate kann Verluste ausgleichen. Ist man genötigt, sich im Voraus selbst ein Ma. auszusuchen, kommt man womöglich auf unsinnige Gedanken und wählt eines, das einem auf Dauer das Imkern schwer macht oder verleidet. Die Bienen nehmen natürlich jede Wabe an. Doch einige Fragen stehen zentral. Lässt eine Beute zu, in ihr maximal gegen die Milbe vorzugehen? Wie überstehen die Bienen die Winter? Womöglich kann man Verluste nur schwer ausgleichen, da keiner Bienen hält, die auf diesem Maß sitzen. Das Rähmchenmaß entscheidet folglich, welche Bienenwohnung man wählt.

Der Beginn der Beziehung Mensch-Biene wird auf etwa 10.000 Jahre v. Chr. geschätzt. Das Bienenlexikon sagt: „Es ist oft darüber diskutiert worden, ob es sich damals um eine reine Nutzung der Bienen gehandelt hat oder ob der Mensch schon in einer höheren Entwicklungsphase seiner Umweltbeziehungen gewissermaßen zu einer Haltung der Bienen gelangt war.“

Transport

Categories: 1995

Elementarskulptur

Atelier

Nachdem man mich überredet und ich wider aller Vorsätze das erste Staatsexamen abgelegt hatte, nachdem mein Studium somit vorbei war, bezog ich für einige Zeit ein Atelier in der Domagkstraße. Der Raum, den ich inne hatte, lag im ersten Stock, war wunderschön, etwa vier Meter hoch zum Gang hin, mannshoch zum Innenhof hinunter und dort mit einer Fensterreihe über die ganze Breite versehen. Der Hof war mit rissigen Betonplatten belegt und kniehoch von Unkraut überwuchert. Das Gelände war von unzähligen gleichförmigen Häusern bestanden. Viele bildeten eine U-Form. In manchen Höfen lagerte Schrott, in anderen parkten noch Armeefahrzeuge. Die Mischung machts, sagt man flachsend. Aber in diesem Fall hatte sich die Absurdität in luftige Höhen gesteigert.Mein Raum maß etwa 40 m². Das wurde später für mich zu einem Eichmaß, zu einer Wunschgröße. Natürlich konnte ich auch in einem feuchten Kellerzimmerchen arbeiten oder sogar auf dem Küchentisch zeichnen. Dennoch fühle ich mich sowohl von kleineren, als von größeren Räumen erdrückt.

In diesem Atelier arbeitete ich wenig, frönte jedoch, wie soll ich es anders sagen, der Muße. Meine unbequeme, aufklappbare Armeepritsche stand neben der Heizung, ich fläzte mich darauf und las die Wahlverwandtschaften. Das blieb mir deshalb so in Erinnerung, da ich kurz vorher die schwarz-weiße Kopie eines nicht besonders deutlichen Fotos gesehen hatte mit dem Titel: Che Guevara liest Goethe in einem Schweinestall. Man erkannte nicht viel darauf, gerade so die unverwechselbare Mütze und das markante Gesicht. Vielleicht beeindruckte mich besonders diese Tatsache. Ein bärtiger Mann mit Kappe liegt in einem Koben im Matsch und liest.

Rückseite

Während ich die abgebildete Plastik entwarf, ging ich die bekanntesten Personen der Zeitgeschichte durch. Sie alle klopfte ich daraufhin ab, ob sie sich zusammen mit einer zweiten als maximales Gegensatzpaar nutzen lassen. Dabei fand ich heraus, dass mich zu dieser Zeit der Universalgeist, der alles in sich vereint, jedoch sich selbst nicht widerspricht, nicht interessierte. In der Gegenüberstellung extremer Positionen, dachte ich damals, konnte sich das weiteste Panorama öffnen. Zusammengebunden und repräsentiert wären die Figuren durch die gleiche Form der Kästen. Die Portraits bilden die Quelle der Skulptur. Zugleich behielt ich die Bienen im Blick und fragte mich, was deren Verbindung zu ihnen war. Daher nahm diese unsichtbare Arbeit, die lange nur zu erahnen war, am meisten Zeit in Anspruch.

Ich lungerte im Atelier herum und dachte nach. Schließlich landete ich bei Galileo Galilei, den die katholische Kirche erst drei Jahre zuvor rehabilitiert hatte, im Jahr 1992, also 350 Jahre zu spät. Galilei gilt als ein Begründer der modernen Naturwissenschaften. Das Leben des Galilei liest sich wie ein Abenteuerroman. Als sein Gegenüber fiel mir, der christlichen Legendenbildung folgend, Franz von Assisi ein. Ich hatte die von Giotto ausgemalte Kapelle in Padua besucht, bevor sie restauriert wurde, und wusste um die berühmte Basilika in Assisi.

Damals entwarf ich die Skulptur, um an einem Wettbewerb teilzunehmen. Er war für einen Garten ausgelobt worden. Das war ungewöhnlich und reizte mich. Als ich den Entwurf hinschickte, rechtzeitig, bekam ich als Antwort die Frage, was mir im Sinn liege, was ich sozusagen überhaupt wolle, da doch die Sache längst gelaufen sei.

Categories: 1995

Anruf im Bienenstock

Um das städtische Projektstipendium zu ergattern, brauchte es eine einfache Idee, die in die Zeit passte. Aber ich war im Jahr zuvor schon ohne Fördermittel ausgegangen, ebenfalls mit einem Bienenprojekt, und ich wollte keine Neuauflage, sondern etwas Fortgeschrittenes. Im Jahr 1995 hatte ich es mit einer Livecam am Flugloch versucht. Das schien zu dieser Zeit eine gute Idee. Man hatte sich angewöhnt, Livebilder abzurufen, sei es von einem Kirchturm in Oslo oder von der Bergstation der Seilbahn auf dem Ätna. Doch nur ein Jahr später, im Jahr 1996, war die hohe Zeit dieser Aufnahmen unvermittelt vorbei. Sie waren zu einer technischen Spielerei verkommen. Vermutlich verwendete man sie noch in der Pornoindustrie. Als ich erfuhr, dass man die Bienen auf dem Gasteig seit dem Jahr 2011 mit einem Livestream erfasst und sich als Vorreiter versteht, musste ich schmunzeln.

Ein Freund kennt das Bienenprojekt von Anfang an. Wir entwickelten die neue Idee gemeinsam, dann arbeitete ich sie aus. Es gab frisch auf dem Markt Handies mit Babyruf-Funktion, sie arbeiteten wie unidirektionale Babyphone, waren jedoch an das Telefonnetz gekoppelt. Man rief an, es hob selbständig ab und man hörte sein Baby brabbeln. Der Gesangsvortrag der Bienen hätte dort exakt hineingepasst. Zusätzlich hätte man Auskünfte über das Wetter, die Temperatur, den Wind, die tageszeitliche Laune der Bienen und so weiter folgern können. Es wäre ein zuverlässiges Umweltbarometer entstanden. In einem Bienenstock anzurufen, hat einen poetischen Aspekt und viele Leute hätten das schon aus Neugier getan. Die archaische und überzeitliche Welt der Bienen, für die viele einen unbestimmten Respekt empfinden, sollte mit einem gegenwärtigen Medium verknüpft werden.

Das Telefon empfand ich nicht als finanzielle Hürde und auch nicht die Installation. In meiner Ausführung der Bienenkästen befindet sich im Boden ein rechteckiger Schacht, der von unten und hinten zugänglich ist. Ein Stromkabel hätte den Akku aufgeladen. Das Projekt sollte von Anfang April bis Ende Oktober laufen. Das ist der Zeitraum, der einem das Öffnen der Stöcke erlaubt, falls das Wetter mitspielt.

Allerdings wäre eine breit gefächerte Kampagne in verschiedensten Medien nötig gewesen. Die Telefonnummer musste verbreitet und unterschiedlichen Zielgruppen zugeführt werden. Das bildete den Etat. Ohne diese Unterstützung kam ich nicht aus. Mir schwebte zunächst Gedrucktes in der Zeitung und in Anzeigenheften vor. (Die Abendzeitung war ohnehin an mich herangetreten, über das Projekt Stadtimker etwas in ihrer Stadtteilseite zu bringen.) Damals kamen die Bildschirmwerbungen in den U-Bahn-Stationen auf (info-screen). Ich dachte sogar an Kinowerbung. Alles in allem ging es nicht ohne die Fördermittel. Und ich bekam sie nicht. Eine Frau, die an der Jury teilgenommen hatte, erzählte mir später, mein Entwurf sei auf Platz vier festgesessen. Nummer eins bis drei bekommen das Geld.

Meine damalige Freundin sagte: „Zum Teufel. Diese Platz-Vier-Geschichte ist genau das, was einem noch den Rest gibt.“

Categories: 1996